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1970: Werbung für den Reformkurs

Seinen einzigen Besuch in Schweinfurt als Bundeskanzler absolvierte Willy Brandt am 26. Oktober 1970. Zu diesem Zeitpunkt war die sozialliberale Koalition heftigen politischen Anfeindungen aus der Opposition wegen ihrer Entspannungspolitik, aber auch ihren innenpolitischen Reformen, ausgesetzt. Um die bayerische SPD im Landtagswahlkampf zu unterstützen, unternahm Brandt eine Wahlkampftour durch Mittel- und Unterfranken, zu der auch ein Auftritt in Schweinfurt gehörte. „Schon lange vor der Saalöffnung hatte sich vor dem Evangelischen Gemeindehaus (…) eine große Menschenmenge versammelt“, berichtete das Schweinfurter Tagblatt.

 

Zusammen mit OB Georg Wichtermann und dem Landtagsabgeordneten Oskar Soldmann (v. l.) betritt Willy Brandt das Evangelische Gemeindehaus. Unbekannt bleibt der Name der jungen Dame, auf der der Blick des Bundeskanzlers ruht. (Bild: Werner Sauerteig/Stadtarchiv Schweinfurt)

Brandt betonte vor den mehr als 2000 Zuhörern die innenpolitischen Themen. War doch die Regierung aus SPD und FDP auch als Reaktion auf die Studentenbewegung und die Verkrustung der Adenauer-Zeit als Regierung der inneren Reformen unter dem Schlagwort „Mehr Demokratie wagen“ angetreten. Von den von Brandt angekündigten Reformen listete das Schweinfurter Tagblatt auf: „Ein neues Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsgesetz, Anhebung der Versicherungs-Pflichtgrenze für Angestellte, Einführung eines Arbeitgeberanteils zur Krankenversicherung als ein ,weiteres Stück sozialer Symmetrie’ bis hin zur Einführung einer flexiblen Altersgrenze im Arbeitsleben.

 

„Im Landtagswahlkampf im Oktober 1970 kam Bundeskanzler Willy Brandt in den vollbesetzten Saal des Gemeindehauses. Rückblickend kann ich nur sagen: Wahrscheinlich hat mich damals der Hauch der Geschichte erfasst, und ich habe nichts bemerkt.“                   Armin Schulz

 

Im knappen außenpolitischen Teil seiner Rede bekräftigte der Bundeskanzler die Entschlossenheit seiner Regierung, zur Aussöhnung und zum dauerhaften Frieden mit den osteuropäischen Staaten. In einer Anspielung auf den erneut knappen Zeitrahmen seines Aufenthalts ließ Brandt seinen trockenen Humor aufblitzen: „Ein kurzer Besuch ist besser als gar keiner.“

 

 

Die Bewirtungsrechnung für den Willy-Brandt-Auftritt 1970 weist 140 belegte Brötchen und 45 Portionen Teufelssalat auf. Nicht zu vergessen: Wurst, Brot, Butter und Gurken für die Fahrer. (Scan: Steinmüller)